Mit individueller Beratung fit für den Beruf

Asle Hirth (© Privat)

Dr. Asle Hirth ist Kardiologe und Leiter des Heart 13+ Jugendprojekts im Haukeland Universitätsklinikum in Bergen, Norwegen. Bei diesem Projekt wird das Thema Berufsberatung in die medizinische Versorgung von jungen Patienten mit angeborenem Herzfehler integriert.

„Es kommt selten vor, dass junge Menschen oder ihre Eltern die Themen Bildung und Karriere von sich aus ansprechen, wenn sie zu uns kommen. Trotzdem sollte man sich darüber rechtzeitig Gedanken machen“, meint Dr. Hirth. „Vielleicht sind junge Menschen zwischen 13 und 17 generell zu lethargisch, oder vielleicht sehen sie es erst gar nicht als Problem an. Ich glaube eher letzteres. Mein Eindruck ist, dass junge Menschen äußerst optimistisch sind“, fügt er hinzu.

Herausfinden, was zu einem passt

Heart 13+ gibt es seit 2005. In dem Jugendprojekt ist neben der normalen Kontrolluntersuchung ein Zeitfenster vorgesehen, in dem die Themen Bildung und Karriere individuell mit dem Patienten besprochen werden. Zur Vorbereitung erhalten die Jugendlichen eine Liste mit möglichen Diskussionsthemen. Es ist wichtig, diese Fragen bereits im Alter zwischen 15 und 16 anzusprechen, wenn die ersten wichtigen Entscheidungen bezüglich der Schulausbildung anstehen. Damit soll verhindert werden, dass eine junge Person voller Entschlossenheit in eine bestimmte Richtung steuert oder vielleicht sogar ihre Ausbildung beendet und erst dann bemerkt, dass diese Arbeit gar nicht zu ihr passt. Wenn so etwas passiert, ist das für den jeweiligen Betroffenen meist schockierend.

“Eigentlich konzentrieren wir uns immer darauf, was ein Jugendlicher gut kann“, so Dr. Hirth. „Aber wenn es um Karriere und Bildung geht, ist es einfacher, mit dem zu beginnen, was die Person nicht kann. Dabei kommt meist nicht so viel zusammen, sodass wir diese Liste schnell durchgehen können. Die meisten Berufe stehen jedem offen, aber bei bestimmten Herzfehlern ist die Berufswahl etwas eingeschränkt.“

Dr. Hirth betont, dass Beratungsangebote auf die individuelle Person zugeschnitten sein müssen. „Wir geben keinen Rat aufgrund der Diagnose, sondern eher aufgrund der individuellen Prognose. Man sollte sich nicht zu früh auf einen bestimmten Beruf festlegen, weil man so schnell in eine Sackgasse geraten kann. Es ist besser, zunächst die grobe Richtung zu bestimmen, in die man gehen will. Dadurch ist man flexibler“, weiß der Kardiologe. Er fügt hinzu, dass er diese Entscheidung jedoch niemandem abnehmen kann. „Wir können die Patienten mit unserer Beratung nur unterstützen. Die Entscheidung müssen unsere Patienten dann letztendlich selbst treffen.“

Risikofaktoren und körperliche Belastbarkeit

Herzrhythmusstörungen, die eine Ohnmacht auslösen können, führen die Liste der potenziell einschränkenden Faktoren an. Sie stellen auch die häufigste Komplikation dar. „Diejenigen, die bereits an Herzrhythmusstörungen leiden oder ein großes Risiko dafür haben, werden beispielsweise automatisch bei Berufen abgelehnt, bei denen Fahrzeuge bedient und Passagiere befördert werden müssen. Deshalb ist es eine gute Idee, solche Berufe von Anfang an auszusortieren“, meint Dr. Hirth.

Der Berufsberater muss eine gewisse Vorstellung davon haben, wie anstrengend die verschiedenen Berufe sind. Sehr komplexe Herzfehler ziehen beispielsweise häufig eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit nach sich. Demzufolge sollten Personen mit solchen Erkrankungen Berufe meiden, die zu einem großen Teil aus körperlicher Anstrengung bestehen. Was zu viel ist, muss von Fall zu Fall bestimmt werden. Der Job als Lagerarbeiter kann für einige zu anstrengend sein, zu anderen hingegen aber gut passen. Personen mit schweren angeborenen Herzfehlern sollten außerdem Arbeit im Freien, in gekühlten Lagerhäusern oder bei extremer Hitze vermeiden, da die körperliche Belastbarkeit durch Kälte oder Hitze meist zusätzlich beeinträchtigt wird. Darüber hinaus verbessert sich die Fitness nur selten mit der Zeit. „Körperliche Arbeit unter normalen Bedingungen hängt mehr von der Art und vom Schweregrad der Funktionseinschränkung ab. Das muss individuell eingeschätzt werden“, so Dr. Hirth.

Hohe Bildung ist immer ein Vorteil

Im Allgemeinen entsprechen die schulischen Leistungen junger Menschen mit angeborenen Herzfehlern denen ihrer gesunden Mitschüler. „Gelegentlich befragen mich Eltern zu Anträgen auf Dinge wie z. B. Förderunterricht. In der Regel hängt das mit der Komplexität des Herzfehlers zusammen. Meist haben diejenigen mit Einkammerherzen etwas mehr zu kämpfen als andere“, meint Dr. Hirth.

Bei der Wahl einer Ausbildungs- oder Karriere-Laufbahn zahlt es sich immer aus, gut in der Schule zu sein. „Gute Noten bedeuten mehr Möglichkeiten und größere Flexibilität. Man weiß nie, was die Zukunft bringt oder wie sich der Herzfehler entwickeln wird“, betont der Kardiologe. Wenn der Beruf besondere Anpassungen erfordert, spielt der Arbeitgeber eine wesentliche Rolle. „Die cleveren Arbeitgeber arrangieren die Dinge so, dass der Einzelne gute Arbeit leisten kann. Egal, ob an drei oder fünf Tagen in der Woche im Betrieb ist. Auch in dieser Hinsicht ist Bildung ein Vorteil.“

Neue Herausforderungen

Das Haukeland Universitätsklinikum betreut nahezu 400 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern. Der Anteil der unter 20-Jährigen steigt. Meist haben diese Personen Diagnosen, mit denen sie noch vor wenigen Jahrzehnten nicht überlebt hätten. Dennoch sagt Dr. Hirth voraus, dass einige Patienten mit komplexen Herzfehlern wie dem Hypoplastischen Linksherzsyndrom im Erwachsenenalter körperlich stark beeinträchtigt sein werden. „Die Operationsmethoden und die Betreuung für Kinder mit Herzfehlern haben sich außerordentlich verbessert. Viele Patienten werden besser als je zuvor zurechtkommen. Trotzdem wird es auch eine neue Gruppe von erwachsenen Patienten mit schweren Herzfehlern geben, die mit einer Menge Probleme konfrontiert sein wird. Für das Gesundheitssystem wird das eine Herausforderung darstellen. Vor diesem Hintergrund wird der Unterschied zwischen Patienten mit leichten und mit schweren Herzfehlern vielleicht größer als bisher angenommen“, prognostiziert der Kardiologe.

Unterschiedliche Ziele und Träume

Mädchen sind in der Regel vernünftiger als Jungen, besonders während der Teenager-Zeit. „Sie planen langfristig ganz anders“, meint Dr. Hirth und führt als Beispiel ein Mädchen mit einem schweren komplexen Herzfehler an. „Das Mädchen ist sehr pflichtbewusst in der Schule und möchte sich später ihre Studienrichtung allein aussuchen. Sie weiß, dass sie dafür gute Schulnoten braucht. In ihrer geistigen Entwicklung liegt sie zwar nicht zurück, aber sie wird schnell müde und muss sich daher sehr anstrengen, um in der Schule mitzukommen. Sie verzichtet auch auf andere Freizeitaktivitäten, damit sie ausreichend Energie hat, um sich voll auf die Schule zu konzentrieren.“

Ein anderer Patient wollte unbedingt eine Fußball-Karriere starten und sah sich durch seinen angeborenen Herzfehler nicht eingeschränkt. „Das hätte zwar funktioniert bis er 17 oder 18 gewesen wäre. Aber spätestens wenn man Profi werden möchte, muss man sich einer medizinischen Untersuchung unterziehen, die dieser Patient nicht bestanden hätte. Als ich ihm das mitteilte, brach für ihn natürlich die Welt zusammen. Im Nachhinein bedauere ich, dass ich ihn erst so spät darauf aufmerksam gemacht habe“, erinnert sich der Experte. Einen Monat, nachdem der Junge erfahren hatte, dass sein Traum von der Fussball-Karriere geplatzt war, rief seine Mutter den Kardiologen an und teilte ihm mit, dass der Junge sich nun für eine andere Karriere entschieden habe – allerdings wieder eine, die für seinen Körper eine extreme Herausforderung dargestellt hätte.

“Es ist bei jungen Leuten nicht ungewöhnlich, dass sie unseren Rat ignorieren. Als Arzt kann man nicht mehr tun, als an ihren Verstand zu appellieren und ihnen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen aufzuzeigen. In diesem Fall hat es am Ende geholfen. Inzwischen macht der Junge eine Ausbildung für einen Beruf, den er wunderbar meistern wird und er scheint mit seiner Wahl sogar ganz zufrieden zu sein“, erklärt Dr. Hirth.

Ein anderer Patient mit Marfan-Syndrom wollte unbedingt Polizist werden. Dr. Hirth empfand es als seine Pflicht, den Patienten darauf hinzuweisen, dass er die Aufnahmekriterien nicht erfüllen würde. „Aber leider kennen wir diese Kriterien nicht für jede Ausbildungsrichtung. Deshalb bitten wir die jungen Leute oft, diese Informationen selbst herauszufinden“, sagt er.

Mit beiden Beinen fest im Berufsleben

Teilweise ist eine berufliche Laufbahn im Gesundheitswesen bei Menschen mit angeborenen Herzfehlern besonders beliebt. „Krankenpflege und Sozialarbeit wird häufig als Berufswunsch genannt, insbesondere bei denjenigen, die sich schon früh festlegen. Das ist allerdings nicht sonderlich überraschend, da die Patienten durch die eigene Erfahrung schon einen Bezug zum Gesundheitssystem haben. Sie wollen nicht unbedingt die Welt retten, aber sie betrachten es als einen attraktiven Bereich für ihre Arbeit“, erklärt Dr. Hirth.

Im Wesentlichen sind alle Patienten von Dr. Hirth berufstätig – vorausgesetzt sie sind in ihrer geistigen Entwicklung nicht beeinträchtigt. „Ich würde sagen, dass über 80 % meiner Patienten ganztags arbeiten, obwohl ich keine genaue Statistik darüber führe. Nur ein kleiner Anteil ist berufsunfähig. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Menschen mit angeborenem Herzfehler in der Arbeitswelt nicht wegen ihrer chronischen Erkrankung diskriminiert werden. Das mag allerdings daran liegen, dass Arbeitnehmer in Norwegen z. B. im Vergleich zu Großbritannien stark geschützt werden. Allerdings gibt es innerhalb Europas gewaltige Unterschiede. Deshalb ist es wichtig, Statistiken für jedes einzelne Land zu führen.“

Autor(en): Marit Haugdahl
Letzte Aktualisierung: 2009-08-18

Kommentare zu diesem Artikel

04.03.2013 | Victor Varela, Colombia
Estoy muy emocionado por haber encontrado una página como esta. En primera instancia los quiero felicitar y si estoy muy interesado en contarles mi experiencia. Mi nombre es Victor Alonso Varela León vivo en Bogotá Colombia y tengo a mi Hija Martha Mónica de 17 años de edad con CC compleja. Cuando nació su pronostico a penas le daba unas pocas semanas de vida, desde ese momento decidimos con mi esposa sacarla del hospital y darle lo mejor que pudimos le hemos dado mucho amor y hemos trabajado su autoestima desde el punto de vista de la neurociencia, hasta hoy la hemos manejado como un ser especial en donde le conscientizamos que venía a cunplir una misión especial, contrario a todos los pronósticos nuestra hija es feliz y sufre ningún complejo, esta terminando su secundaria y esta inclinada por estudiar una carrera relacionada con la salud tal vez nutrición o trabajo social. En este momento el único inconveniente es que Bogotá está a una altura de 2600 mts sobre el nivel del mar y a ella se le ha subido el hematocrito, hemos pensado hubicarnos en una ciudad más cerca al nivel del mar no se si esto le podría contribuir a mejorar su nivel de vida, por la mayor cantidad de oxigeno que requiere permanentemente.

Gracias infinitas por la orientación y el poder compartir este tema con ustedes