Mehr Selbstvertrauen durch Sport

© Silke Bruns

Simona* wurde 1985 mit einer Fallot’schen Tetralogie geboren. Im Alter von 1 ½ Jahren unterzog man sie der in diesem Fall erforderliche Korrekturoperation. Hier erzählt sie von ihren Erfahrungen mit dem Kindergarten, der Schule und dem Schulsport.

Im Kindergarten

Von meinen Eltern weiß ich, dass ich als Baby wegen meines schweren Herzfehlers täglich mindestens zwanzig hypoxämische Anfälle hatte. Die Ärzte hatten meine Eltern ursprünglich darauf vorbereitet, dass ich mit meinem Herz nur zwei Jahre alt werden würde. Dann wurde eine neue, experimentelle Operationsmethode angeboten, um mich am offenen Herzen zu operieren. Mit eineinhalb Jahren wurde ich operiert und hatte danach einen regelrechten Entwicklungsschub. Doch im Kindergarten traten trotzdem Probleme auf: Die Erzieher meinten, dass ich nicht für den normalen Kindergarten geeignet wäre und man in einem Kindergarten für sprachgestörte Kinder sicher besser wüsste, wie man mit mir umzugehen hätte.

Dennoch haben es meine Eltern geschafft, dass ich den Regelkindergarten besuchen konnte. Aber ich musste ständig damit klarkommen, dass ich keine Freunde hatte, weil ich täglich aus der Gruppe ausgeschlossen wurde, irgendwie nie dazu gehörte. Ich hatte damals nur einen wirklichen Freund, aber der war auch nicht gesund. Das hat uns damals sehr verbunden. Wir zwei saßen immer zusammen in der Ecke und haben uns alleine beschäftigen müssen. Wir haben immer noch Kontakt und sind die besten Freunde. Als ich in die erste Klasse der Grundschule kam, zog er weg. Und das ganze Theater fing für mich von vorne an: Herzkind, gesonderte Schule ...

In der Grundschule

Der Schulleiter war der einzige, der mich unterstützt hat. Nach einem ersten Gespräch meiner neuen Klassenlehrerin mit der Klasse nannte mich jeder Schüler eine „Behinderte“. Keiner wollte mehr mit mir Freundschaft schließen. Ich war alleine, wurde gemobbt, von der Klasse ausgeschlossen oder ausgelacht. Das hat mich zu einem stillen, zurückhaltenden und ängstlichen Mädchen gemacht. Ich hatte nie Lust zur Schule zu gehen und hatte sogar Angst vor meinen Klassenkameraden.

Trotzdem habe ich diese vier Jahre durchgezogen in der Hoffnung: „In der höheren Schule wird alles anders!“ Meine Leistungen waren gut, ich hätte auf das Gymnasium gehen können. Da wollte ich aber nicht hin, da die „schlimmste“ Hälfte meiner Klassen sich auf die zwei örtlichen Gymnasien verteilt hatte. Also ging ich zur Realschule. Aber auch dort wurde ich wieder aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen. Ich fand mich irgendwann damit ab und achtete schließlich nicht mehr auf die Beleidigungen. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie trotz allem versucht haben, mich wie ein normales Kind zu behandeln und auch so großzuziehen.

Herzsport vs. Schulsport

Mitte der fünften Klasse, bei der regelmäßigen Untersuchung in der Uniklinik, fragte mich meine Ärztin, ob ich Interesse an einer Sportgruppe für herzkranke Kinder im meinem Alter hätte. Nach einer ärztlichen Untersuchung sagte ich natürlich direkt zu. Beim „Herzsport“ hatte ich den Vorteil, dass mich keiner auslachte. Ganz im Gegenteil: Hier traf ich endlich auch Kinder, mit denen ich meine Probleme teilen konnte, die mir zuhörten. Ich wurde zum ersten Mal in einer Gruppe akzeptiert und bei Spielen wählten sie mich mit Freude in ihre Mannschaft. Für viele Kinder in meinem Alter ist das normal, aber für mich ging ein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung: einfach dazu zu gehören, mit Kindern lachen, Spaß haben. Ich hätte mir so sehr gewünscht, dieses Klima und das Umfeld auch in meiner Klasse zu haben.

Wir hatten in der Schule im Sportunterricht einmal einen Hindernislauf aufgebaut mit Trampolinen, Matten für Rollen, Bänken zum Balancieren und einem Bock. Das Einzige, was ich mich damals nicht getraut habe, war über den Bock zu springen – und wie immer haben mich alle ausgelacht. Jetzt, da ich in der Kinderherzsportgruppe war, konnte ich mich auf die nächste Schulstunde vorbereiten: Wir sollten uns Übungen für die kommenden Stunden ausdenken und mir war klar, was ich unbedingt lernen wollte.

Die anderen „Herzkinder“ und die Trainer fanden die Idee super. Alle waren davon überzeugt, dass ich es schaffen könnte. Auch meine Eltern sind mitgekommen, um zu sehen, ob ich meine Ängste überwinden kann. Als ich dann dran war, zeigten mir die Trainer, wie ich am Besten springen sollte, damit ich mir nicht wehtue. Alle standen sie hinter mir: Meine Eltern, die Trainer und alle Kinder feuerten mich an. Das gab mir ein tolles Gefühl des Selbstvertrauens und ich bin gesprungen.

Gelernt ist gelernt

Die Reaktion meiner Klassenkameraden war unbeschreiblich. Alle fragten mich, wo ich das gelernt hätte. Ich erzählte einigen von meiner Sportgruppe. Es war ein schönes Gefühl, zum ersten Mal vor meiner Klasse so da zu stehen, ohne dass mich jemand auslachte. Wenn ich mich später irgendetwas nicht getraut habe, brauchte ich nur an diesen Augenblick beim Herzsport zu denken, um Mut zu fassen. Das war einfach ein tolles Gefühl.

Seit ich mit dem Herzsport angefangen habe, habe ich mich total verändert: Ich wurde freier und habe zu Hause, bei Verwandten und beim Herzsport immer mehr geredet. Ich hatte keine Angst mehr, dass mich irgendjemand auslacht und konnte meine Meinung ohne Probleme äußern. Und eine der wichtigsten Veränderungen für mich und meine Familie war, meine Angst zu überwinden.

* Name aus Datenschutzgründen geändert

Autor: Simona