Ich kann doch nichts dafür, dass ich nicht krank bin!

Liebe zwischen Geschwistern (© María Tarruella)

Verzweifelte Sätze wie diesen hört man häufig von den gesunden Geschwistern herzkranker Kinder, wenn sie sich immer mehr vernachlässigt fühlen. Denn durch die Diagnose eines angeborenen Herzfehlers konzentriert sich die allgemeine Aufmerksamkeit der Eltern meist ausschließlich auf das betroffene Kind. So können gesunde Geschwister schnell aus dem elterlichen Blickfeld geraten – obwohl sie jetzt ganz eigene Probleme haben.

Wie sich die gesunden Geschwister fühlen

Wenn Eltern viel Zeit damit verbringen müssen, ein herzkrankes Kind zuhause oder im Krankenhaus zu betreuen, kann es passieren, dass gesunde Geschwisterkinder sich verdrängt, ignoriert oder von der elterlichen Fürsorge ausgeschlossen fühlen. Schnell werten sie die Sorge der Eltern um das herzkranke Kind als Bevorzugung. Dies kann zu Gefühlen von Ablehnung und Missgunst führen und zwar sowohl den Eltern, als auch dem herzkranken Geschwisterkind gegenüber.

Der fehlende Kontakt zu den Eltern kann auch zu Ängsten bezüglich der Ursache der Krankheit führen – besonders dann, wenn die gesunden Geschwister noch sehr jung sind. Eventuell fühlen sie sich dann verantwortlich für das, was mit ihrem herzkranken Geschwister passiert. Das kann sogar so weit gehen, dass sie sich die Schuld für den Herzfehler geben und vermuten, dies sei der Grund, warum ihre Eltern nicht mehr mit ihnen reden und sich nicht um sie kümmern wollen. So fühlen sie sich schnell auch noch für das Leid der Eltern verantwortlich.

Manchen gesunden Kindern macht der Herzfehler selber Angst: Sie befürchten, sich damit anzustecken oder sogar daran zu sterben. Gleichzeitig können vorhandene Schuldgefühle noch verstärkt werden durch die an und für sich normale Erleichterung darüber, gesund zu sein und Dinge tun zu können, die das herzkranke Geschwisterkind niemals tun könnte. Folgen davon sind unter anderem Antriebslosigkeit, Traurigkeit oder sogar der Wunsch, selber krank zu werden.

Zwischen Rebellion und Anpassung

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Risiko eines gestörten seelischen Gleichgewichts für Geschwister chronisch kranker Kinder nicht zwangsläufig höher ist als bei gesunden Geschwistern. Einen größeren Einfluss als die Art der chronischen Krankheit hat dagegen ihre Dauer. Daher ist es kaum überraschend, dass die Geschwister herzkranker Kinder häufig Verhaltensauffälligkeiten aufweisen, die mit dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit verbunden sind. Dies kann sich unter anderem in regressivem bzw. altersuntypisch kindlichem Verhalten äußern z. B. durch die Unfähigkeit, alleine zu essen oder durch Bettnässen. Oftmals führt das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein, zu Eifersucht oder Neid gegenüber dem herzkranken Geschwisterkind. Dies kann sich wiederum in aufsässigem Verhalten manifestieren oder zu Aggressivität gegenüber dem herzkranken Geschwisterkind.

Weitere Studien legen nahe, dass Geschwister chronisch kranker Kinder in der Schule gut zurechtkommen und sowohl psychisch als auch sozial nicht auffällig sind. Dies lässt vermuten, dass sie für sich Strategien entwickelt haben, um den Schmerz, den die Familie durchmachen muss, zu kompensieren oder um genauso viel Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erhalten wie das kranke Geschwisterkind. Die Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass diese Kinder für ihr Alter gewöhnlich verantwortungsbewusster, reifer und kooperativer sind, was sich wiederum positiv auf ihre weitere psycho-soziale Entwicklung auswirkt.

Wichtige Einflussfaktoren

Bei der Bewertung der Auswirkungen, welche Diagnose und Behandlung eines herzkranken Kindes auf Geschwisterkinder haben können, gilt es, verschiedene Faktoren zu berücksichtigen: das Alter der Geschwister zum Zeitpunkt der Diagnose, den Schweregrad des Herzfehlers, die Häufigkeit und Dauer von Krankenhausaufenthalten und die eventuell damit verbundene räumliche Trennung von den Eltern. Hinzu kommen individuelle Aspekte wie die Persönlichkeit der Kinder und ihr soziales Umfeld.

Das Alter der Geschwister

Wenn ein Herzfehler bei einem Baby festgestellt wird, hat das nicht dieselbe Auswirkung, wie wenn er bei einem älteren Kind oder Jugendlichen diagnostiziert wird. Die meisten angeborenen Herzfehler werden jedoch bereits in den ersten Lebensjahren entdeckt – zum Teil schon vor der Geburt. Um einem Kind die bestmögliche Chance auf eine gesunde Entwicklung zu geben, werden die meisten Herzfehler heute so früh wie möglich korrigiert. Das Alter bei der Diagnose bzw. bei einer eventuellen Operation kann sich auf die Familie unterschiedlich auswirken:

  • Wenn ein Herzfehler kurz nach der Geburt diagnostiziert wird, bedeutet das – zusätzlich zu den ganz normalen Umstellungen, die eine Geburt nach sich zieht – eine besondere emotionale Belastung für die Eltern. Im Zuge der hormonellen Umstellung kann das für eine Mutter bedeuten, dass sie ihre Gefühle nur schwer kontrollieren kann und daher nicht in der Lage ist, den Geschwistern zu erklären, was es mit dem Herzfehler auf sich hat.
  • Wenn das herzkranke Kind zum Zeitpunkt einer Operation sehr jung ist, sind Geschwisterkinder meist dementsprechend älter. Hier sollten neben den ganz normalen Schwierigkeiten der gesunden Geschwister, die Gesamtsituation zu verstehen, deren Ängste vor Ablehnung und Vernachlässigung mit berücksichtigt werden.
  • Wenn der Herzfehler bei einem älteren Kind festgestellt wurde oder das herzkranke Kind zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Operation benötigt, brauchen jüngere Geschwister genügend Aufmerksamkeit, um eventuell zusammenphantasierte Zusammenhänge von Herzfehlern und eigener Schuld zu vermeiden. Das bedeutet auch, altersgerecht zu erläutern, was es mit der Diagnose bzw. einer Operation auf sich hat.

Der Schweregrad des Herzfehlers

Bei den schwersten Herzfehlern kann unmittelbar nach der Diagnose eine Krankenhauseinweisung sowie ein chirurgischer Eingriff notwendig sein. In einer solchen Situation bleibt den Eltern wenig Zeit, die anderen Familienmitglieder darauf vorzubereiten oder ihnen die Umstände genauer zu erläutern. Gewöhnlich stellen solche ersten Operationen palliative und keine endgültigen Lösungen dar. Das bedeutet, dass weitere Eingriffe folgen müssen.

Wie Eingriffe bei Kindern mit leichteren angeborenen Herzfehlern werden diese Folgeoperationen gewöhnlich länger im Voraus geplant. Dadurch bleibt der Familie mehr Zeit zur Vorbereitung. Gerade, wenn ein erster Eingriff quasi ohne Vorwarnung erfolgen musste, sollte man sich später erst recht die Zeit nehmen, um den Geschwistern Sinn und Zweck einer solchen Operation zu erläutern. So wird deutlich, dass die erhöhte Aufmerksamkeit, die dem herzkranken Kind zuteil wird, nicht als Grad der elterlichen Zuneigung zu verstehen ist.

Die Häufigkeit und Dauer von Krankenhausaufenthalten

Gewöhnlich sind es vor allem schwere Herzfehler, die einen längeren Krankenhausaufenthalt bzw. eine längere Erholungsphase nach dem Eingriff erforderlich machen. Dennoch können auch bei weniger komplizierten Eingriffen unerwartete Komplikationen nach der Operation auftreten, die den Aufenthalt zusätzlich verlängern. Solche langen Krankenhausaufenthalte bedeuten eine schwerwiegende Destabilisierung des Familienalltags, was sich direkt auf die Geschwister auswirkt. Daher kann es sinnvoll sein, auch unter diesen außergewöhnlichen Gegebenheiten eine alltägliche Routine zu entwickeln, um den Kindern Struktur und Halt zu geben.

Die räumliche Trennung durch einen Krankenhausaufenthalt

Im Zuge der Operation des eigenen Kindes sind Besuche oder auch Übernachtungen im Krankenhaus für viele Eltern selbstverständlich. Für die gesunden Geschwisterkinder ist eine solche räumliche Trennung jedoch nicht immer nachvollziehbar. In der kindlichen Wahrnehmung wird diese Situation zudem dadurch verschärft, dass das herzkranke Kind bei den Eltern sein darf. Die unangenehmen Aspekte dieses Beisammenseins werden dabei manchmal ausgeblendet – oder können noch gar nicht richtig erfasst werden.

Eine solche Trennung ist umso schlimmer, wenn das herzkranke Kind in ein weit entferntes Krankenhaus eingewiesen wird, da dies den Kontakt zwischen den Geschwistern, den Eltern und dem betroffenen Kind erschwert. Um hier bei den gesunden Geschwistern ein Gefühl des Ausgeschlossenseins zu vermeiden, kann es manchmal schon ausreichen, diese häufiger mit ins Krankenhaus zu nehmen. Hier wird schnell deutlich, dass sich das herzkranke Kind nicht heimlich eine schöne Zeit mit den Eltern macht, sondern sich in einer auch für Kinder nachvollziehbar unspektakulären Situation befindet.

Was Eltern tun können

Um keinem seiner Kinder Anlass zu Gefühlen der Vernachlässigung und des Ausgeschlossenseins zu vermitteln, sollten sich Eltern bewusst sein, das diese Gefühle vorhanden sein können. Dadurch können sie ihren Kindern besser helfen, mit der neuen Situation umzugehen. Im Vorfeld und während eines Krankenhausaufenthaltes lässt sich hierfür durch einige einfache Maßnahmen viel erreichen:

  • Achten Sie auf eine angemessene Informationsvermittlung. Was Kinder nicht wissen, malen sie sich sonst eventuell ganz anders aus, als es Ihnen lieb ist.
  • Halten Sie die Kommunikation aufrecht. Auch wenn Ihr Hauptaugenmerk dem herzkranken Kind gilt, haben auch gesunde Geschwister kindliche Bedürfnisse.
  • Sorgen Sie für Kontakt zwischen den Geschwistern. Beziehen Sie sie bei der Vorbereitung des herzkranken Kindes auf das Krankenhaus und die späteren Krankenbesuche mit ein.
Geprüft von: Kirsten Aune Walter
Letzte Aktualisierung: 2009-02-09

Kommentare zu diesem Artikel

19.01.2011 | ana vicenta jelincic faundes, chile
yo soy chilena tube gemelos con problemas caridacos el diego y el alexander tenian el mismo problema civ mas ap y lo operaron alos dos cuando tenian dias de recien nacido en santiago de chile. luego lo dieron de alta me traje a uno primero a punta arenas luego volvi a santiago a buscar al otro y nos devolvimos a punta arenas. luego el diego tenia 4 meses y lo lleve al hospital por resfriado y le encontraron un virus luego le pusieron un cateter para darle mas antibiotico pero fue mal aplicado vi ante mis ojos como murio. y el dolor de perder a un hijo solo se amortigua con los años y luego me aferre a mi hijo alexander que estaba en la casa y luego me quede embarazada y nacio el pablo que es sanito y ahora estan del mismo porte siendo que el al (alexander) es el mayor tiene 5 años y es cardiopata tiene en su historial 4 cateterismo y 2 operaciones a corazon abierto. es un niño alegre y el hecho de tener a su hermano (tiene 3 años 11 meses) le a servido mucho lo quiere mucho, se cuidan y se hablan de su corazon y son unidos a la hora de ir al medico eso le da valentia a mi hijo para ver medico ya que se dan la mano y eso para mi es muy importante porque el sabe que mami, papi y su hermano siempre estan con el

yo soy una convencida que este canal de internet nos dan mas informacion sobre este tema que para mi es importante en mi vida por mi hijo y por otros niños del mundo.

gracias por existir
desde punta arenas
chile

una mama que se emociona al saber que exiten
ana jelincic faundes mama de alexander
16.10.2012 | Alyss Ortega, Mexico
Hola Mama de Alexander, yo soy Alys hace un año y 4 meses perdi a mi hija de tan solo 2 añitos, no aguanto la operacion a corazon abierto ella tenia CIV y Conducto persistente.

No encuentro consuelo, y aparte tengo mucho miedo de que si me vuelvo a embarazar se pueda repetir la historia.